Die Nase – der Schlüssel zu Ihrem Hund
Wenn Hunde schnüffeln, dann scheinen sie in eine uns unbekannte Welt abzutauchen und alles andere um sich herum zu vergessen. Neueste Erkenntnisse aus der Nasenarbeit zeigen, wie Sie Ihren Hund gerade dann erreichen und die Beziehung stärken können
Wie stark die Sinneswelt unserer Hunde von Gerüchen dominiert ist, liegt jenseits unserer Vorstellungskraft. Kein Wunder, unser Geruchssinn ist im Vergleich zu dem unserer Vierbeiner geradezu verkümmert. Ganze 33 Prozent des Hundehirns sind mit der Verarbeitung von Gerüchen beschäftigt, bei uns sind es im Vergleich nur 5 Prozent. Hunde können auch geringste Konzentrationen von Substanzen riechen, bis zum Verhältnis 1 zu einer Trillion. Um sich das besser vorstellen zu können: Das entspricht dem Verhältnis von 3 Sekunden zu 100.000 Jahren.
Wir nutzen die unvergleichliche Hundenase beim Aufspüren von vermissten Menschen und Tieren, zum Erkennen von Krankheiten, Drogen, Waffen, Bargeld, Schädlingen, Schimmel, in der Forensik, beim Artenschutz und in der Archäologie und wir sind noch meilenweit davon entfernt, ihr Potential auch nur ansatzweise richtig auszuschöpfen. „Hunde können dreidimensional riechen, das bedeutet, sie erschließen sich einen Raum über den Geruch, können Entfernungen abschätzen, können genau lokalisieren, wo sich jemand im Raum befindet, können alte von frischen Spuren unterscheiden, speichern und archivieren“, erklärt Rovena Langkau vom K-9-Suchhundezentrum.
Als Erste in Deutschland haben Rovena Langkau und Geschäftspartnerin Alexandra Grunow vor fast 13 Jahren das Maintrailing – also die Suche nach vermissten Personen, die früher nur als Teil der Rettungshundeausbildung existierte – als einen Sport für jedermann und jeden Hund etabliert.
„Früher ging es dabei auch im Training vor allem darum um das Auffinden der versteckten Person. Heute wissen wir, wie sehr diese Arbeit auch die Beziehung des Hundes und seines Hundeführers positiv beeinflussen kann“. Die Art und Weise, wie ein Trail gelegt wird, kann sich direkt auf die Psyche des Hundes auswirken. Motivation und Problemlösung spielen dabei eine große Rolle.
Wir können in die Welt des Hundes eintauchen und uns mit auf seine Ebene begeben und
so einen ganz anderen Zugang zu ihm bekommen
Wie funktioniert Trailen?
Im Allgemeinen läuft das Sport-Trailen folgendermaßen ab: Eine Person wird ausgewählt, um sich für das Mensch-Hund-Team zu verstecken. Sie lässt eine Geruchsprobe von sich, das kann z.B. ein getragenes Halstuch etc. sein, bei dem Team zurück und geht mit dem Trainer zu ihrem Versteck. Jedes Lebewesen verliert bei jeder Bewegung kleinste Partikel biochemischer Substanzen, wie Haut, Schweiß und Ähnliches.
Den Geruch dieser Substanzen kann ein Hund erschnüffeln, identifizieren, analysieren und abspeichern. Das ist, im Zusammenspiel mit anderen Faktoren wie Bodenabrieb und Ähnlichem, die Spur, der er folgt. Je nach Ausbildungsstand des Teams wird die geeignete Location für den Trail, z.B. reizarm oder nicht, weicher Untergrund oder Asphalt, viele Abzweigungen und Entscheidungsmöglichkeiten oder lange gerade Strecken vom Trainer ausgewählt.
Zum Start riecht der Hund am Geruchsartikel, erhält sein Startsignal und macht sich auf die Suche. Sein Mensch ist durch eine Schleppleine mit ihm verbunden und folgt ihm. Der Trainer läuft mit und hilft mit Tipps zum Leinenhandlung und Hinweisen auf die Körpersprache des Hundeführers und die des Hundes, vor allem bei Anfängern auf der richtigen Spur zu bleiben. Im Verlauf der Ausbildung werden diese Hilfen immer mehr reduziert, bis Mensch und Hund gelernt haben, sich auf einander einzulassen und gemeinsam den Weg zur vermissten Person (VP) zu finden. Wenn der Hund bei der VP angekommen ist, setzt er sich im Idealfall daneben ab, zeigt sie so an und erhält vom Hundeführer seine Belohnung (Futter, Spielzeug) natürlich ein dickes Lob und Streicheleinheiten.
Eine Frage des Vertrauens
Ein erfahrener Trainer kann an der Art und Weise, wie das Mensch-Hund-Team gemeinsam sucht, einiges ablesen. Zum Beispiel, welche Persönlichkeit der Hund hat, ist er ehrgeizig, sehr ambitioniert, ist ihm der Job wichtig oder ist er eher gelassen unterwegs, ein Surfertyp, der das Leben auch ein bisschen leichter nimmt. Ebenso sieht der Trainer, ob er ein Problem hat und auf welcher Ebene es liegt, er muss dabei erkennen ob es in den trailtechnischen Bereich fällt, auf der Beziehungsebene zwischen Mensch und Hund liegt oder ein psychisches oder physisches Problem vorliegt.
Auch der Mensch offenbart beim Suchen so einiges über sich selbst. Für viele ist schon der Einstieg ins Trailen, nämlich dem Hund einmal die Führung zu überlassen, eine Herausforderung. Man kann beim Trailen nichts erzwingen, man braucht tatsächlich die Kooperation des Hundes, das fällt manchen Menschen nicht leicht. Alles ist eine Frage der inneren Einstellung. Wenn ich denke: Na, jetz mach mal, zeig’s mir, dann wird das nicht funktionieren. Wenn ich als Mensch denke: Ich weiß ja, wo es langgeht! und versuche, den Hund zu kontrollieren, und wenn ich ihn dauernd hinterfrage, dann wird es nicht funktionieren. Erst wenn ich mich als Mensch auf den Hund einlasssen, dann kommen wir auch am Ziel an.
Für viele Hunde ist das Vorangehen nd Richtungsangeben beim Trailen ein ganz wichtiger Schritt auf dem Weg zu mehr Selbstvertrauen. Das bedeutet nicht, dass sie dann im Alltag nicht mehr leinenführig sind oder ihren Menschen Hinterfragen, sie können das ganz gut unterscheiden.
Im Gegenteil, durch das Trailen entsteht eine ganz neue Form des Vertrauens und eine Vertiefung der Beziehung.
– Wenn mein Hund ein Thema hat, z.B. Unsicherheit, Angst, Hyperaktivität, was auch immer, dann ist das im Alltag oft anstrengend. Dann fange ich an Situatioenn zu vermeiden, ich kann ihn nicht mehr von der Leine lassen – oder beim Training funktionieren Übungen nicht so gut wie bei den andern. Das ist für den Besitzer ganz oft frustrierend. Trailen können diese Hunde aber meist ganz gut und plötzlich verändert sich die Sichtweise des Menschen auf seinen Hund. Plötzlich kann er mit ihm in seine Welt eintauchen und sie auch ein bisschen mit seinen Augen sehen.
Wir Menschen neigen dazu, eine feste Vorstellung zu haben, wie etas auszusehen hat oder wie es ablaufen soll.
Das Suchen zum Beispiel, da denkt man, der muss die Nase tief nehmen und da vorne muss er abbiegen, dabei weiss ich ja gar nicht, wo der Geruch in Wahrheit liegt. Je nach Umgebung, je nach Wind fängt er sich möglicherweise ganz woanders und ist z.B. auf der gegenüberliegenden Seite viel stärker.
Der Mensch muss lernen, den Hund so arbeiten zu lassen, wie er eben arbeitet,
und das sieht nicht bei jedem Hund gleich aus
An der Körpersprache von Mensch und Hund lässt sich z. B. ablesen, wie der momentane Stand der Beziehung zwischen beiden Teammitgliedern ist. Wie bewegt sich der Hundeführer, geht er mit dem Hund oder bewegt er sich unbewusst gegen den Hund, weil er ihm nicht vertraut? Das sieht ein Trainer auf dem Trail und muss es dann mit dem Menschen besprechen. Das Allerwichtigste aber ist, das Selbstbewusstsein des Hundes herauszuarbeiten, damit er sich in der Problemlösung auf dem Trail auch etwas zutraut und dem Hundeführer zeigt: Hier geht’s lang! und dann muss der Hundeführer auch mitgehen. So wird es langsam eine Vertrauensbeziehung, bei der sie zusammen sozusagen auf der Jagd sind.
Gemeinsam zum Hochgefühl
Die Kombination aus Bewegung und Nasenarbeit ist das Einzigartige, das das Trailen ausmacht. Über dieses Eintauchen in die Geruchswelt des Hundes und die Bewegung, wenn der Hundeführer gut mitgeht und neutral ist, kommt das Team in eine Art ein Fließen, vergleichbar mit dem sogenannten „Runners High“, dem Euphoriezustand , den man beim Laufen erreichen kann. So ist es zu erklären, dass Suchhundeteams bei realen Einsätzen kilometerweite Strecken gemeinsam zurücklegen können. Das ist wie ein Trancezustand, bei dem der Hund alles andere ausblendet. Dann wird das Glückshormon Dopamin ausgeschüttet und so kommt der Hund in eine ganz besondere Entspannung. Das kann man sich auch bei der Bewältigung von verschiedenen Problematiken zunutze machen. Je nach dem wie der Trail gelegt wird, kann bestimmt werden, was der Hund erleben und was er daraus lernen soll.
Doch auch ganz am Anfang der Trailausbildung kann man schon Verhaltensänderungen beim Hund feststellen, die sich auch auf den Alltag übertragen.
Die Basis im ersten halben bis dreiviertel Jahr ist unglaublich wichtig, dass der Hund sich auf der Spur wohlfühlt, nicht überfordert wird, keine falschen Verknüpfungen bildet und immer das Gefühl hat, er kann es schaffen. Das wird dann zu einer Art Leitfaden für ihn. Er weiß, er hat ein Problem gelöst, nämlich eine Spur bis zum Ziel verfolgen, und das sogar schon mehrfach. Vielleicht auch unter Umwelteinflüssen, vor denen er sich sonst gruselt, wie laute Geräusche, fremde Menschen oder Ähnliches. Und das wirkt sich auch auf den Hormon Cocktail in seinem Gehirn aus. Ein Hund, der vielleicht von Grund auf etwas gestresst ist, weil er unsicher ist, hat einen erhöhten Cortisol-Spiegel, es werden mehr Stresshormone ausgeschüttet. Jetzt löst er beim Trailen seine Aufgabe und kommt ans Ziel, bildet Dopamin, also Glückshormone, und wenn ihn sein Mensch dann auch noch lobt und streichelt, dann steigt das Oxycodon, das Bindungs-Hormon und dämmt das Cortisol. Je öfters sich das wiederholt, umso mehr verändert sich der Grundspiegel von Hormonen im Gehirn, d.h. sein Stresslevel wird grundsätzlich niedriger, seine Sichtweise ändert sich und er fängt an, Dinge auch anders zu bewerten.
Hinzu kommt, dass er lernt, diese Erfahrungen auf andere Situationen zu übertragen. Hunde lernen durch Verknüpfungen, vor allem auch mit Orten, an denen diese Erfahrungen stattgefunden haben. Getrailt wird aber immer an unterschiedlichen Locations, es gibt keinen festen Hundeplatz, sondern immer ein anderes Gebiet, mit neuen Herausforderungen. Hat er ein paarmal so eine positive Erfahrung gemacht, lernt er zu generalisieren und das auch auf andere Situationen zu übertragen. Und – er bringt das schöne Gefühl mit seinem Menschen in Verbindung und bald kann alleine schon die Anwesenheit des Hundeführers in für den Hund bedrohlichen Situationen ausreichen, um seinen Stress zu reduzieren.
Es muss darauf geachtet werden, dass der Hund immer motiviert ist,
sonst verliert er die Bereitschaft mitzumachen
Jeder Trail wird genau auf das jeweilige Team zugeschnitten. Es darf nicht zu viel an Belastung sein, aber auch nicht zu wenig, denn genau wenn der Hund sich zwischen Komfortzone und leichtem Stress befindet, lernt er am besten. Wenn ich einen Hund habe, der gerne mal hochfährt vom Energielevel – das muss jetzt nicht gleich hyperaktiv sein – den kann man durch den Trail auch runterbremsen, z.B. indem er eine geruchliche Aufgabe bekommt, bei der er sich besonders konzentrieren muss. Der gelassene Surftyp findet möglicherweise eine Spur, die den Hügel rauf und runter geht besonders spannend und ein Ende, bei dem er sich richtig an die versteckte Person heranarbeiten muss. Der ehrgeizige Suchtyp bekommt eventuell bei einem Trail, der aus Schlangenlinien auf einer Wiese besteht, den richtigen Kick. Manchmal ist es aber auch erzieherisch wichtig, dass der Hund weiss, er braucht einen Menschen, um ans Ziel zu kommen. Dann kann man Hindernisse einbauen, wie z.B. eine Tür, die der Hundeführer dann öffnet. Oder es wird dem Hundebesitzer gesagt, wo es lang geht, damit der Hund merkt, der Mensch hat ja auch einen Plan. Und ganz wichtig, nach dem Trail braucht der Hund eine Ruhepause, dann kommt er ins Auto um zu schlafen. Das festigt die neuronalen Verknüpfungen im Gehirn, die sich beim Trailen neu gebildet haben. Grundsätzlich kann man durch das verantwortungsvolle Trailen alle Problemstellungen, egal welche „Themen“ der Hund auch zeigt, mit der Zeit auf ein gesundes Mittelmaß herunterfahren.
Der Hund wird offener, durchlässiger. Das merkt man auch bei der Erziehung und im Alltag, er hört besser zu, weil sich der Draht zum Menschen insgesamt verbessert hat.
Der Hundeführer selber lernt durch das Trailen auch eine Menge über sich: Kann er Verantwortung und Kontrolle abgeben und sich überhaupt auf seinen Hund einlassen, auch wenn er selbst in der Situation vielleicht anderer Meinung ist? Kann er sich auch von seiner Körpersprache her soweit zurücknehmen, dass er neutral für seinen Hund wird? Und er lernt eine neue Wertschätzung für seinen Hund zu empfinden. Nicht nur für die Suchleistung, die dieser auf dem Trail zeigt. Sondern generell dafür dass sein Hund überhaupt bereit ist, mit und für ihn zu arbeiten, denn das ist keine Selbstverständlichkeit, sondern immer freiwillig.
(Autor: Heike Reinhardt aus Partner Hund Februar 2020)